Am 23. November 1992 setzten zwei Neonazis (Michael Peters und Lars Christiansen) das Haus der Familie Arslan und ein Haus in der Ratzeburgerstrasse in Mölln in Brand. In dieser Nacht wurden durch die rassistischen Brandanschlägen die 10 jährige Yeliz Arslan, die 14 jährige Ayşe Yılmaz und die 51 jährige Bahide Arslan ermordet. Weitere Familienmitglieder der Familie Arslan, sowie Bewohner:innen der Ratzeburgerstraße 13 wurden schwer verletzt.
30 Jahre später findet eine Studentin im Rahmen ihrer Masterarbeit hunderte Briefe an die Familie Arslan im Stadtarchiv Möllns. So kamen erst durch einen Zufall 30 Jahre nach dem Mordanschlag Beileids- und Solidaritätsbekundungen bei den Überlebenden und Angehörigen der Familien an. Heute sagt Ibrahim Arslan: „Wenn wir damals von der Anteilnahme und Solidarität in der Gesellschaft gewusst hätten, hätte uns das damals geholfen und ein wenig Trost gespendet.“ Es stellte sich heraus, dass eine Großzahl der Briefe durch die Behörden geöffnet, gelesen und beantwortet wurden – auch solche, die direkt an die Familien adressiert waren, was ein Bruch des Briefgeheimnisses und somit eine Straftat darstellt. Die Stadtverwaltung beantwortete die Briefe mit vorformulierten Schreiben und legte diese ins Archiv, anstatt sie der Familie direkt zu übergeben.
Deshalb fordere ich aus meinem Verständnis für Demokratie und Gerechtigkeit folgendes:
Die Aufklärung Ihrer Handlungen, eine öffentliche Stellungnahme, sowie eine Entschuldigung Ihrerseits als Verantwortlicher bei der Familie Arslan und der Familie Yılmaz.
Ich fordere eine öffentliche Stellungnahme, warum Sie nach den Anschlägen nicht als Bürgermeister zurückgetreten sind, obwohl die Täter schon im Vorhinein bekannt waren und Sie sich in eine Reihe von rassistischen Gewalttaten in den 1990 Jahren einreihten und somit ein weiterer Anschlag potentiell hätte verhindert werden können.
Ich fordere eine öffentliche Stellungnahme, wie Sie als Bürgermeister und Anwalt das Briefgeheimnis Ihrer Mitmenschen verletzten, ihr Vertrauen missbrauchten und sie somit entmündigten.
Ich fordere von Ihnen eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Berufskodex eines Anwaltes und der Verantwortung, welche Sie auch ihren Klient:innen gegenüber haben: Wie konnten Sie nach bestem Gewissen in der Funktion eines gewählten Amtes das Briefgeheimnis der Ihnen vertrauenden Bürger:innen Ihrer Stadtgemeinschaft verletzten? Wie rechtfertigen Sie die weitere Ausübung Ihrer Berufes?
Ich fordere eine Stellungnahme, warum Sie die Spendengelder und Angebote von Mitmenschen unterschlagen haben.
Ich fordere eine Entschuldigung an die Familie Arslan und die Familie Yılmaz, dass Sie Ihre Briefe öffneten und beantworteten und Ihnen damit die Anteilnahme ihrer Mitmenschen verwehrten.
Darüber hinaus fordere ich eine konkrete, aufrichtige, öffentliche Auseinandersetzung der Stadt Mölln mit den rassistischen Mordanschlägen vom 23.November 1992, sowie eine Entschädigung der Familie Arslan und der Familie Yılmaz aufgrund des ihnen entstandenen Leids durch Zurückhaltung der solidarischen Briefe und Anteilnahme.
Die Überlebenden dürfen nicht weiter nur als Gäst:innen auf den Gedenkveranstaltungen zu den rassistischen Anschlägen behandelt werden. Die Orte des Gedenkens im Öffentlichen Raum müssen sichtbar sein und die Tragweite sowie das Motiv des rassistischen Anschlags unterstreichen.
Ich hoffe auf Umsetzung der oben genannten Forderungen und danke für Ihre Aufmerksamkeit
Mit freundlichen Grüßen